by Carmen Stehle

Echt, immer noch?

Ja. So schnell wird sich das auch nicht ändern. Denn, kaum ein Mensch ist objektiv. Stereotype und Vorurteile erleichtern uns das Denken. Umso wichtiger ist es, sich die Mechanismen vor Augen zu führen, um niemanden vorschnell zu verurteilen und auch, um teure Konflikte im Arbeitskontext zu vermeiden.

Ein Blick auf die Definition macht schnell klar, dass es bei Begegnungen von Menschen selten besonders objektiv zugeht. „Objektivität ist ein Ideal der Philosophie und der Wissenschaften“*, heißt es da. Die Sichtweise ist von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen geprägt. Hinzu kommt, dass das Gehirn uns das soziale Miteinander erleichtern will. Um effektiv zu arbeiten, werden Informationen in Gruppen zusammengefasst und somit vereinfacht. Das Wissen zur eingeordneten Gruppe kann dann schneller abgerufen werden. Voilà, fertig ist das Stereotyp. Weiter lautet es in der Definition: „Da man davon ausgeht, dass jede Sichtweise subjektiv ist, werden wissenschaftlich Ergebnisse an bestimmten, anerkannten Methoden und Standards des Forschens gemessen“.* Doch das sind keine geeigneten Instrumente für den Berufsalltag. Muss auch nicht sein. Denn macht man sich die Funktionsweise des Schubladendenkens und vor allem seine schwerwiegenden Konsequenzen klar, kann man gezielt gegen das Übertragen von Stereotypen auf einzelne Menschen und Personengruppen vorgehen.

* Quelle: Wikipedia.de

Folgende Personengruppen sind häufiger von Vorurteilen im Job betroffen:
• Frauen (reden viel, können nicht mit Zahlen umgehen, haben keine Ahnung von Technik, haben nur Schuhe im Kopf, etc.)
• Ältere oder besonders junge Kollegen (nicht belastbar, können nichts)
• Personen mit einem bestimmten Aussehen, wie etwa übergewichtige Menschen (sind faul), Menschen von kleiner Körpergröße (sind gefährlich), blonde Frauen (sind dumm)
• Menschen, die zu einer bestimmten Berufsgruppe gehören, zum Beispiel Beamte (arbeiten nicht), Bauarbeiter (trinken nur Bier), Sekretärinnen (sind nur mit ihren Fingernägeln beschäftigt)
• Leute mit einem bestimmten Kleidungsstil
• Mitbürger aus bestimmten Ländern, zum Beispiel Südländer (sind nie pünktlich)
• Schwangere, Eltern (arbeiten nicht richtig, sind nicht loyal, engagieren sich nicht)
• Personen, aufgrund ihrer Sexualität
• Menschen, aufgrund ihrer Ethnie oder Rasse
• Mitmenschen, aufgrund von Behinderungen

Fluch und Segen von Vorurteilen

Machen Sie sich weiter klar, dass Vorurteile mit Vorsicht zu genießen sind, denn meistens wirken sie in zwei Richtungen. Das heißt, worunter der eine leidet, gereicht einem anderen womöglich zum Vorteil. So könnte es sein, dass ein/e attraktive/r Mitarbeiter/in eine bessere Bewertung erhält, als ein/e weniger attraktive Person. Oder umgekehrt. Wer attraktiv ist, kann nicht kompetent sein. Oft wird Qualität männlicher Arbeit besser bewertet, als der von Frauen, einfach, weil erwartet wird, dass Männer sich besser auskennen. Ein/e Ältere/r wird nicht befördert, weil sie/er doch sicher damit überlastet und sicher zu langsam oder unflexibel wäre. Entscheider geben sich selbst vielleicht keine Rechenschaft, warum sie wie urteilen. Sie nehmen an, sie entscheiden aufgrund von Tatsachen.

Die wenigsten sind frei von Vorurteilen

Das ist nicht richtig, aber nachvollziehbar. Beobachten wir unsere Gedanken, tauchen Vorurteile dort häufig ungefragt auf. Machen Sie einen Test: Unterhalten Sie sich mit einer Person, die Ihnen zunächst suspekt ist. Oft werden Sie feststellen, dass Äußerlichkeiten Sie negativ in Ihrem Urteil beeinflusst haben.

Vorurteile gegen Frauen

Wie fest Vorurteile in den Köpfen verankert sind, sieht man daran, dass Frauen immer noch benachteiligt werden. Trotz Quoten, endlosen Diskussionsrunden und vielen positiven Paradebeispielen, ist die Überzeugung offenbar nicht in den Herzen (und Gehirnen) angekommen. Frauen wird nach wie vor weniger zugetraut, besonders in Führungspositionen. Weibliche Chefs werden nicht respektiert oder müssen Ihre Entscheidungen rechtfertigen. Oft verdienen Frauen weniger. Es wird erwartet, dass Frauen erst beweisen müssen, dass Sie einen Aufstieg verdienen, Sie müssen oftmals mehr leisten, als Ihre männlichen Kollegen. Das kostet Unternehmen am Ende Ressourcen und Geld.

Die negativen Folgen von Vorurteilen

Denn solche oder andere Ungerechtigkeiten, die aus Vorurteilen entstehen, lässt Mitarbeiter hilflos zurück. Es untergräbt ihre Arbeitsmoral und kann im Alltag zu Anspannungen und schlechter Arbeitsatmosphäre führen. Missgunst und Neid hindern
Personal daran produktiv zu arbeiten. Sie verbringen ihre Zeit mit Streit und Anschuldigungen. Niemand in der Belegschaft glaubt mehr an Chancen und demzufolge wenden sich engagierte Arbeitnehmer ab oder kündigen erst innerlich, dann in der Realität. Sie transportieren das negative Image der Firma auch nach außen.

Verhalten bei Vorurteilen

Werden Sie selbst Opfer von Mobbing, Vorurteilen oder sogar von Diskriminierung, hilft im ersten Schritt ein persönliches Gespräch, bei dem Sie erfragen können, woran konkret die Beurteilung Ihrer Arbeit festgemacht wird und ob das ein vergleichbarer Maßstab unter allen Arbeitnehmern ist. Erklären Sie, warum und wie Sie Ihre Arbeit angehen. Fragen Sie welche Ziele bei der Kritik an Ihrer Arbeit verfolgt werden. Geben Sie konkrete Bespiele und beschreiben Sie die negativen Folgen, denen Sie sich wegen des Vorurteils ausgesetzt sehen. Kündigen Sie weitere Schritte an, wenn sich nichts ändert.
Hilft das nicht weiter, wenden Sie sich an den Personal- oder Betriebsrat und nehmen Sie externe Angebote von Beratungsstellen an. Sie werden dort im Detail darüber informieren, ob und wie der gesetzliche Schutz auf Ihren persönlichen Fall anzuwenden ist. Sie müssen Vorurteile nicht einfach hinnehmen. Jeder kommunizierte Fall ist wichtig, damit sich schnell andere Muster in unseren Gehirnen etablieren.