by Carmen Stehle

Unsere Lieblingszutaten für eine gesunde Tagesstruktur

Der Mensch liebt es, Strukturen zu folgen. Früher wurde der Rhythmus vom Wetter und von den Jahreszeiten bestimmt. Heute erhält der Tag seine Struktur durch Schul- oder Arbeitszeiten. Und dann kam Corona …

Durch Ausgangsbeschränkungen, Kurzarbeit oder im schlimmsten Falle Verlust des Arbeitsplatzes sehen wir uns mit einem extremen Strukturverlust konfrontiert. Es ist egal, wann wir aufstehen oder wann wir ins Bett gehen. Die meisten von uns wissen derzeit nicht, was für ein Wochentag heute ist. So angenehm das anfangs auch war, nach einiger Zeit ist die Wohnung aufgeräumt, bis ins hinterste Eck grundgereinigt und nach irgendeinem aktuellen Trend entrümpelt. Marie Kondo lässt grüßen. Und jetzt? Eine gewisse Unruhe macht sich breit, die Aufräumarbeiten gehen aus. Und langsam legt sich die auferlegte Isolation bleischwer auf unser Gemüt und unsere Motivation. Dies kann uns psychisch sehr stark belasten und unsere Leistungsfähigkeit einschränken. Für eine gelungene Strukturierung des Alltags – auch in Ausnahmezuständen – hier unsere Zutaten für eine gesunde Tagesstruktur.

DAS GRUNDREZEPT:

Ohne stabilen Rahmen hält das beste Konstrukt nicht. Schaffen Sie also eine klare zeitliche Struktur. Das bedeutet,
eine feste Aufstehzeit, feste „Arbeitszeiten“, feste Mahlzeiten und eine feste Zubettgehzeit zu definieren. Dann füllen Sie die Zwischenräume mit den unten aufgelisteten Punkten.

1. ZEIT FÜR ERHOLUNG

WARUM IST DAS WICHTIG?
Die Grundlage für Leistungsfähigkeit und Gesundheit
ist ausreichender, erholsamer Schlaf und regelmäßige Pausen über den Tag verteilt. Ohne genügend Ruhe fehlt unserem Körper die nötige Energie, den alltäglichen Be- lastungen standzuhalten. Ein übermüdetes Gehirn kann nicht adäquat auf ungewohnte und belastende Situationen reagieren. Nur ein erholter Körper und Geist sind anpassungs- und damit auch leistungsfähig.

WAS KANN ICH TUN?
Pausen
Eine Pause ist meist zu spät angesetzt, wenn sie erst ge- zwungenermaßen dann stattfindet, wenn „nichts mehr geht“. Planen Sie Zeitkontingente für Pausen ein, besser alle 1,5 Stunden für 10 Minuten anstatt alle 4 Stunden für 45 Minuten. Dadurch vermeiden Sie ein „Ausbrennen“. Geben Sie den Pausen einen klar definierten Rahmen (von – bis) und überlegen Sie sich vorher, wie Sie ihre Pause gestalten wollen (bspw. eine Tasse Kaffee trinken, eine Runde um den Block spazieren, Musik hören).

Im Gegensatz zum „Nichtstun“ zählen hierzu Sport, Bewegung an der frischen Luft und verschiedene Entspannungstechniken (bspw. Atem- und Achtsamkeitsübungen, autogenes Training und progressive Muskelrelaxation). Auf den Websites vieler Krankenkassen, sowie auf Videoplattformen finden Sie hierzu unzählige Angebote und Vorschläge.

Schlaf
Unsere Top Ten für erholsamen Schlaf:

1. Feste Aufsteh- und Zu-Bett-Geh-Zeiten: Es ist empfehlenswert am Morgen um die gleiche Zeit aufzustehen und am Abend zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen, um unseren biologischen Rhythmus nicht aus dem Takt zu bringen. Dieser Rhythmus spielt eine große Rolle für die Funktionen in unserem Körper. Während Hormone wie Cortisol und Adrenalin für eine entsprechende Leistungsfähigkeit am Morgen und tagsüber sorgen, übernimmt in der Nacht das Hormon Melatonin und sorgt dafür, dass wir
die Tiefschlafphase erreichen. Die Ausschüttung dieser Hormone erfolgt lichtabhängig und wird so durch unseren Tag-Nacht-Rhythmus beeinflusst. Eine Störung dieses Systems, kann uns morgens wie gerädert aufwachen lassen. Gleichzeitig fühlen wir uns den ganzen Tag müde. Was nutzt es, wenn die Nebenniere in den frühen Morgenstunden Cortisol und Adrenalin ausschüttet, um unseren Körper auf Touren zu bringen, wenn wir diesen Zeitraum schlafend im Bett verbringen? Am Abend sind wir dann nicht müde genug und lassen uns von TV, Tablet und Smartphone unterhalten. Doch dieses Licht hemmt unsere Melatoninproduktion. Ein erholsamer Tiefschlaf ist damit gefährdet. Und wieder wachen wir am nächsten Morgen wie gerädert auf – ein Teufelskreis. Entkommen wir dem kleinen Teufelchen, in dem wir uns an regelmäßige Aufsteh- und Zu-Bett-Geh- Zeiten halten.

2.Nahrungsmittelaufnahme: Um gut zu schlafen, sollte der Magen genügend Zeit haben, um die letzte Mahlzeit zu verdauen. 3 Stunden zwischen Essen und Schlafengehen sind eine gute Zeitspanne. Hungrig ins Bett gehen ist eher keine gute Idee – wir wollen nachts ja nicht den Kühlschrank plündern.

3. Genussmittel als Betthupferl: So lecker der Espresso nach dem Essen auch ist, am Abend sollte man besser darauf verzichten, um gut in den Schlaf zu finden. Für den Genuss von Alkohol gilt Ähnliches. Das Glas Wein mag vielleicht beim Einschlafen helfen, sorgt aber für nächtliche Schlafunterbrechungen.

4. Mittagsschläfchen: Nichts gegen einen kleinen Powernap am Mittag/ frühen Nachmittag. Aber wer kennt es nicht – kaum schläft man mittags länger als eine halbe Stunde, kann man am Abend nicht gut einschlafen. Wenn Sie wissen, dass Sie auch beim Mittagsschlaf fest einschlafen, stellen Sie sich lieber einen Wecker auf 30 Minuten.

5. Lieblingsort Bett: So schön es auch ist, bleiben Sie nicht länger als nötig im Bett. Schlafstörungen können durch zu langes Liegenbleiben verstärkt werden.

6. Sport und Bewegung: Sport und Bewegung sind gut, gar keine Frage. Im richtigen Maß tragen sie auch zu einem gesunden Schlafverhalten bei. Wichtig ist, dass der Körper nach einer körperlichen Betätigung ausreichend Zeit hat, zur Ruhe zu kommen, bevor Sie ins Bett gehen.

7. Schlafzimmer: Um gut zu schlafen, sollte man sich in seinem Schlafzimmer auch wohlfühlen. Neben gemütlicher Bettwäsche und einer ruhigen Atmosphäre,spielt auch die Ordnung eine Rolle. Wäscheberge und der Schreibtisch mit Stapeln an unerledigter Arbeit tragen dazu nicht zwingend bei.

8. Rituale: Schaffen Sie sich eine gedankliche Pufferzone vor dem Zubettgehen, damit Sie den Alltag nicht mit in den Schlaf nehmen. Hier können Rituale helfen.

9. Lichtspiele: Licht spielt eine große Rolle für unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Helles Licht macht uns wacher. Deshalb verzichten Sie besser auf Laptop im Bett. Auch bei nächtlichem Aufwachen, kann man auf gedimmtes Licht zurückgreifen.

10. Schlafdauer: Empfohlen werden 7-8 Stunden Schlaf pro Nacht, wobei es hier individuelle Unterschiede in Bezug auf das Schlafbedürfnis gibt.

2. ZEIT FÜR AKTIVITÄT

WARUM IST DAS WICHTIG?
Tage, an denen man es sich gönnt, den ganzen Tag auf der Couch zu verbringen, können wunderbar erholsam und befreiend sein. Auf Dauer führt dies aber zu Unzufriedenheit. Im schlimmsten Fall begünstigt es die Entstehung von Depressionen. Berufstätigkeit sorgt bei den meisten Menschen für das Gefühl, etwas geschafft zu haben und produktiv gewesen zu sein. In Zeiten von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit sieht es da schon anders aus.

WAS KANN ICH TUN?
Wenn Sie derzeit überwiegend im Homeoffice arbeiten oder in Kurzar- beit sind, ist es umso wichtiger einen Arbeitsalltag zu kreieren. Setzen Sie sich feste „Arbeitszeiten“ inklusive Pausen und ziehen Sie sich für Ihren Arbeitstag auch „arbeitstaugliche“ Klamotten an. Das hilft dabei, eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu schaffen.

Setzen Sie sich schaffbare Ziele und achten Sie auf eine ausgewogene Aufgabenverteilung. Um motiviert
zu bleiben ist es sinnvoll, Aktivitäten abwechslungsreich zu planen und dabei auch auf die Abwechslung von positiven und weniger geliebten Aktivitäten zu achten. Vergessen Sie nach Arbeitsende Ihren vollverdienten Feierabend nicht.

3. ZEIT FÜR MICH

WARUM IST DAS WICHTIG?
Vor lauter Verpflichtungen, Erwartun- gen und Anforderungen vergessen wir oftmals den wichtigsten Helden unseres Alltags – uns selbst. Jeder von uns trägt die Verantwortung für die eigene Gesundheit. Und zu dieser Verantwortung gehört es auch, uns selbst mit Wertschätzung und Fürsorge zu begegnen, ein Verhalten, das wir oft für Andere reserviert haben und darüber uns selbst vergessen. Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern eine notwen- dige Investition, die uns langfristig leistungsstark und gesund bleiben lässt. Sie erwarten von Ihrer Zimmerpflanze ja auch nicht, ohne Wasser zu wachsen und zu blühen.

WAS KANN ICH TUN?
Planen Sie sich täglich Zeit für sich ein. Dazu gehören zum einen die regelmäßigen Pausen, in denen man sich Zeit nimmt, die eigene Bedürfnislage zu checken. Habe ich genug getrunken und gegessen? Brauche ich frische Luft? Muss ich meinen Augen eine Bildschirmpause gönnen? Zum anderen gehört zur Selbstfürsorge auch ein täglicher Block, in dem Sie nichts anderes tun außer sich etwas Gutes. Das kann ein Nickerchen oder ein ruhiger Spaziergang sein, eine gemütliche Lesestunde oder Zeit für Ihr persönliches Hobby. Oder Sie gönnen sich Ihr Lieblingsessen bei einem guten Film.

4. ZEIT FÜR ANDERE

WARUM IST DAS WICHTIG?
Der Mensch ist (evolutionär betrachtet) ein Rudeltier. Von Geburt an brauchen wir andere Menschen und soziale Kontakte, um uns entwickeln zu können. Sozialer Austausch bedeutet für uns Entlastung, Unterstützung, Wertigkeits- und Glückgefühle. Einsamkeit kann krank machen – übrigens nicht nur in Zeiten von „social distancing“ und Corona Maßnahmen.

WAS KANN ICH TUN?
Telefon & Videochat
Wir können aktuell nicht wie gewohnt die körperliche Nähe zu unseren Freunden und unserer Familie suchen. Abhilfe schaffen hier die zahlreichen Möglichkeiten, sich über Videokonferenzen zu verbinden. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an Apps, die dafür geeignet sind. Das „gute, alte“ Telefonat ist aber auch weiterhin eine schöne Möglichkeit für den Austausch.

Neue Kontakte knüpfen
Auch für Menschen, die generell nur über ein kleines soziales Netzwerk verfügen und/oder daran interessiert sind, neue Kontakte zu initiieren, gibt es Möglichkeiten! Ein schönes Angebot bietet bspw. die Seite www.wirverbindeneuch.de, bei der man sich telefonisch mit einer anderen Person verknüpfen lassen kann, für ein einmaliges Gespräch oder auch immer wieder. Zusätzliche Möglichkeiten bieten auch Chaträume oder Facebookgruppen.

Den Alltag nutzen
Für viele von uns kann es aber bereits ausreichend sein, die kleinen alltäglichen Begegnungen achtsamer wahrzunehmen und wieder schätzen zu lernen. Ein freundliches Lächeln für den entgegenkommenden Spaziergänger, ein kurzer Plausch mit dem Nachbarn über den Gartenzaun oder ein kleiner Smalltalk im Supermarkt können bereits Wunder wirken. Für Tierliebhaber ohne eigenes Haustier kann auch der Kontakt zum Nachbarshund oder der Nachbarskatze Balsam für die Seele sein.

Das sind unsere Zutaten für eine gesunde Tagesstruktur. Probieren Sie aus, was für Sie funktioniert. Und bei aller Struktur hin oder her, die Tage ohne sind auch wichtig. Genießen Sie sie ohne schlechtes Gewissen.