by Carmen Stehle

Seit April 2020 ist sie überall und immer präsent, bedeckt dominant die Hälfte unserer Gesichter – ein klinisches Objekt, das sich niemand wünscht. Kann man – und will man – aus dieser Pflicht eine Kür machen? Wie geht man, besonders im Arbeitskontext, damit um? Wir schauen Beschäftigten auf den versteckten Mund.

Egal, ob selbstgemacht, möglichst schlicht, schrill oder mit Statement versehen, die Maske hat sich inzwischen an die unterschiedlichsten Bedürfnisse angepasst. Es gibt spezielle Masken für Brillenträger*innen, es gibt Modelle für Gehörgeschädigte, die das Lippenlesen ermöglichen, und es gibt transparente Masken für Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitgebern es wichtig ist, die Gesichter ihrer Mitarbeiter*innen zu zeigen.

Die Transparenz soll verhindern, dass der nonverbale Teil eines Gesprächs verloren geht. Erst die Mimik teilt Ihnen die wahre Gefühlslage eines Menschen mit. Vor jedem Gesprächsbeginn sehen Sie zuerst eine Maske, den äußeren Schein, der bekanntlich trügen kann. Und sei die Maske noch so fröhlich gestaltet, dahinter kann sich die gegenteilige Gefühlslage verbergen. Dieser Effekt ist besonders in der Pflege, im Verkauf, bei Dienstleistung und Beratungen aller Art nicht gewünscht.

Sie kennen den Effekt, eine positive Ausstrahlung beflügelt die Kommunikation. Oft steckt harte Arbeit hinter einer versierten Rhetorik und das nicht ohne Grund. Denn ist das, was gesagt wird, weniger überzeugend, können Mimik, Stimme und Gestik das ausgleichen. Körpersprache und Mimik zusammen – so zeigen es Rhetorik-Studien – sind etwa dreimal ansprechender, als die Stimme allein. Das heißt im Klartext: Wer sich hinter einer Maske versteckt, ist nicht glaubwürdig. Das will niemand riskieren.

Vor diesem Hintergrund sehen sich auch Designer*innen und Modehäuser mit einer Aufgabe konfrontiert, die diplomatisches Geschick erfordert. Einerseits gibt es Schätzungen, die besagen, dass uns die Masken mindestens ein bis zwei Jahre begleiten werden. Zu lange, um die Phase auszusitzen und der Konkurrenz den Umsatz zu überlassen. Andererseits Profit aus einem Pflicht-Accessoire zu schlagen, das hielten zumindest anfangs viele Fashion-Profis für ethisch unangemessen.

So hat sich inzwischen eine indirekte, wenig plakative Markenstrategie durchgesetzt, zumal Designer*innen schon vor der Pandemie immer wieder Models teil- oder voll maskiert über die Laufstege sandten. Zweck war das Sensibilisieren für nachhaltige Themen wie Klimawandel, Raubbau an der Natur oder Luftverschmutzung. Im asiatischen Raum hatte das Masken-Tragen aus letztgenanntem Grund schon lange vor der Pandemie eine andere Selbstverständlichkeit im Alltagsbild.

Ab März 2020 wurde das Maske-Tragen schließlich auch in Europa zur Realität. Sie erinnern sich vielleicht: Krawattenhersteller Auerbach in Berlin nahm seine Kapazitäten für die Krawattenproduktion zurück und produzierte stattdessen Masken aus Baumwollstoffen. Als Masken für Pflegekräfte knapp waren, stellten Dior oder Louis Vuitton ihre Werkstätten zur Verfügung. Andere Designer*innen boten Lern-Tutorials an, damit sich jeder eine Maske nähen konnte.

Neben reiner Zweckmäßigkeit – die Materialien müssen einer 60 Grad Wäsche standhalten – hat sich eine pragmatische Haltung und/oder optische Kriterien in der Geschäftswelt durchgesetzt. Das spiegelt sich auch im heutigen Angebot wider.

Eine Ausnahme war die Off-White-Maske des Amerikaners Virgil Abloh, DJ und ehemaliger Artistic Director menswear bei Louis Vuitton. Sein Entwurf mit dem Schriftzug „mask“ oder dem überkreuzten Pfeil-Logo ging für jeweils 95 Dollar weg und wurde zeitweise wie eine Rarität gehandelt.

Fast-Fashion-Retailer und virtuelle Marktplätze wie Design-Unterhändler wie farfetch.com vertreiben Premium-Designer-Masken von Dolce & Gabanna und Co. , auf den offiziellen Seiten wird meist keine Maske oder höchstens ein Einzelstück wie bei Balenciaga angeboten. Wer Wert auf stylisch angesagte Markenmasken legt, blättert zwischen ca. 30 und 50 Euro dafür hin. Die Einnahmen werden häufig Corona-Nothilfe-Fonds oder anderen guten Zwecken weitergegeben.

Wen wundert es: Nach oben ist die Reichweite auch im Maskengeschäft offen. Getreu dem Motto „Schneller, höher, weiter“ fertigt ein israelischer Schmuckdesigner für einen chinesischen Geschäftsmann aus Shanghai eine Maske im Wert von umgerechnet rund 1,3 Millionen Euro. Laut der vermeldenden Nachrichtenagentur dpa, vermutlich die teuerste Maske der Welt.

Jenseits der Jagd nach Superlativen dürften die meisten Firmen ihren Mitarbeiter*innen Masken zumindest zeitweise zur Verfügung stellen. Wer keine Maske will, benutzt ein Tuch. Ansonsten wird getragen, was am wenigsten stört, persönlich gefällt und dem Geschäftsumfeld angemessen ist.

Man kann es so sagen: Die Maske ist im Business-Alltag angekommen.